Sind die Änderungen der StVO wirksam?

Wir haben bereits in vorherigen Artikeln über die Änderungen und die nicht unerheblichen Verschärfungen der neuen StVO und des Bußgeldkataloges berichtet. Diese neuen Regelungen sind bekanntlich am 28.04.2020 in Kraft getreten. Fraglich ist jedoch, ob diese Änderungen tatsächlich wirksam sind.

Juristischer Hintergrund

Vorliegend war beabsichtigt, die Straßenverkehrsordnung zu aktualisieren und neben einigen Neuerungen die Grenzwerte für die Anordnung eines Regelfahrverbotes erheblich zu verschärfen. Hierzu wurde, rein formal betrachtet, keine ganz neue StVO erlassen, sondern die sog. "54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20.04.2020" erlassen. In dieser rund 24 Seiten langen Änderungsverordnung ist im Wortlaut genau aufgeführt, welche Regelungen in der StVO geändert werden und welche Vorschriften an welcher Stelle neu eingefügt werden sollen.

Wie die Bezeichnung schon sagt, handelt es sich bei dieser Änderungsverordnung jedoch nicht um ein Gesetz, sondern (nur) um eine Rechtsverordnung. Eine Rechtsverordnung wird nicht wie ein Gesetz vom parlamentarischen Gesetzgeber erlassen, sondern von der Exekutive (Regierung - hier Federführend durch das Bundesverkehrsministerium). Bei der für die Exekutive bestehenden Befugnis Rechtsverordnungen erlassen zu können, handelt es sich also um eine systematische Ausnahme vom eigentlichen Rechtsetzungsmonopol des Parlaments. Um eine Rechtsverordnung erlassen zu können und damit eine Ausnahme vom Rechtsetzungsmonopol zu legitimieren, bedarf es daher einer durch ein förmliches Gesetz erteilten Ermächtigungsgrundlage. Die Voraussetzungen der Verordnungsermächtigung finden sich in Artikel 80 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Danach können nur die Bundesregierung, einzelne Bundesminister oder Landesregierungen zum Erlass einer Verordnung (durch ein Gesetz) ermächtigt werden. In diesem Gesetz müssen Inhalt, Ausmaß und Zweck der erteilten Ermächtigung hinreichend bestimmt sein.

In Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG ist darüber das sog. Zitiergebot veranktert. Dieses (verfassungsrechtliche) Zitiergebot verlangt, dass in einer Rechtsverordnung, die von der Bundesregierung, einem Bundesminister oder einer Landesregierung erlassen wird, die genaue gesetztliche Rechtsgrundlage angegeben werden muss.

Verstoß gegen das Zitiergebot

Gegen dieses Zitiergebot ist in der "54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20.04.2020" verstoßen worden. Die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines neuen Bußgeldkataloges ergibt sich aus § 26a Straßenverkehrsgesetz. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird danach ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über (1.) die Erteilung einer Verwarnung (§ 56 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten) wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24, (2.) Regelsätze für Geldbußen wegen einer Ordnungswidrigkeit nach den §§ 24, 24a und § 24c und (3.) die Anordnung des Fahrverbots nach § 25 zu erlassen.

In der Einleitung bzw. der Präambel der "54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20.04.2020" werden jedoch unter dem 3. Spiegelstrich als Ermächtigungsgrundlage nur § 26a Nr. 1 und 2 StVG aufgeführt. Vergessen wurde die Nennung von § 26a Abs. 1 Nr. 3 StVG, der die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Rechtsverordnung über die Anordnung eines Fahrverbotes enthält.

Folge des Verstoßes gegen das Zitiergebot

Die "54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20.04.2020" verstößt unzweifelhaft gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG. Die Beachtung des (verfassungsrechtlichen) Zitiergebotes stellt eine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung dar und ist nicht lediglich eine reine Ordnungsvorschrift. Der Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Zitiergebot führt daher zur formellen Unwirksamkeit und Nichtigkeit der gesamten 54. Änderungsverordnung.

Bereits mehrfach wurde die Nichtigkeit von Rechtsverordnungen aufgrund eines Verstoßes gegen das Zitiergebot gerichtlich festgestellt (vgl. u.a. BVerfG,  Urt. v. 06.07.1999, Az.: 2 BvF 3/90, BVerfGE 101, 1; BSG, Urt. v. 09.11.1999, Az.: B 4 RA 16/99 R; SächsOVG, Urt. v. 24.01.2007, Az.: 1 D 10/05, NUR 2008, 119). Unerheblich ist insoweit, ob es sich bei dem Verstoß ggf. nur um ein redaktionelles Versehen gehandelt hat.

Im Ergebnis führt der Verstoß gegen das Zitiergebot, dass die gesamte 54. Änderungsverordnung nichtig und damit unwirksam ist. Der Verstoß dürfte nicht nur zu einer Teilnichtigkeit der unmittelbar vom Verstoß betroffenen Regelungen zum Fahrverbot führen. Dem dürfte vor allem entgegenstehen, dass eine dann erforderliche Unterscheidung zwischen wirksamen und unwirksamen Vorschriften der Verordnung zu einer nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit führen würde. Damit sind nicht nur die Verschärfungen beim Regelfahrverbot unwirksam erlassen, sondern alle Neuregelungen, wie z.B. die neu eingefügte Fahrradzone mit den Zeichen 244.3 und 244.4.

Aber Achtung: an der eigentlichen Ermächtigungsgrundlage für die Verhängung und Anordnung eines Fahrverbotes nach § 25 StVG hat sich nichts geändert.

#StVO

 

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